In der Schweiz gibt es spezifische Regelungen und Gesetze, die sich mit dem Thema Minusstunden im Arbeitsrecht befassen. Minusstunden entstehen, wenn Mitarbeitende weniger arbeiten als vertraglich vereinbart. Dies kann verschiedene Ursachen haben, von betrieblichen Engpässen bis zu persönlichen Umständen des Arbeitnehmenden. Die rechtliche Handhabung von Minderarbeit ist ein komplexes Thema, das sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer betrifft und umfassend geregelt sein muss, um faire Bedingungen bei der Arbeit sicherzustellen.
In diesem Beitrag werden wichtige gesetzliche Grundlagen, wie das Obligationenrecht, betrachtet sowie praktische Beispiele und Tipps für den Umgang mit Minderarbeit im Arbeitsalltag gegeben. Ziel ist es, ein klares Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und der besten Praktiken zum Umgang damit zu vermitteln, um Konflikte zu vermeiden.
Minderarbeit entsteht, wenn Arbeitnehmende weniger arbeiten als vertraglich vereinbart. Sie sind das Gegenteil von Mehrarbeit. Allerdings gilt: Nicht jede zusätzliche Stunde zählt automatisch als Überstunden. Dies ist nur dann der Fall, wenn die extra geleistete Arbeit aus betrieblichen Gründen erforderlich war. Während Mehrarbeit auf der Arbeit durch Freizeitausgleich oder Auszahlung reduziert werden kann, ist der Umgang mit zu wenig geleisteten Arbeitsstunden eine Frage des Gesetzes – und in den meisten Fällen durch den direkten Chef zu regeln.
Der Definition nach sind Minusstunden Arbeitsstunden, die ein Arbeitnehmer weniger geleistet hat, als vertraglich vereinbart. Sie sind somit eine negative Abweichung von der Soll-Arbeitszeit. Diese Stunden können sich im Laufe der Zeit ansammeln und zu einem negativen Zeitguthaben führen. Der Arbeitnehmer muss hier in Nachleistung gehen.
Minderarbeit kann aus verschiedenen Gründen entstehen. Dazu gehören betriebliche Gründe wie Auftragsmangel oder technische Störungen, aber auch simple Gründe wie ein hohes Verkehrsaufkommen am Morgen oder der Ausfall der öffentlichen Verkehrsmittel. Es ist wichtig, die Ursache zu identifizieren, um den korrekten Umgang mit Minusstunden zu gewährleisten.
Das Gesetz in der Schweiz regelt den Umgang mit Minderarbeit. Gemäss dem Obligationenrecht (Art. 319 ff. OR) sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.
Das Obligationenrecht (OR) bildet die Grundlage für die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Schweiz. Das Gesetz legt fest, unter welchen Bedingungen Minderarbeit entsteht und wie diese zu behandeln sind. Laut Art. 324a OR ist der Arbeitgeber verpflichtet, Lohn oder Gehalt zu entrichten, wenn der Arbeitnehmer aus unverschuldeten Gründen mit der Arbeitsleistung im Verzug ist.
Laut Art. 324 OR ist der Arbeitgeber zudem zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, sofern die Arbeit infolge Verschulden des Arbeitgebers nicht geleistet werden kann oder dieser aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt.
Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Arbeitnehmenden genügend Arbeit haben, um die vereinbarte Arbeitszeit zu erfüllen. Dies ist Teil ihrer Fürsorgepflicht.
Falls Minusstunden aufgrund des Verschuldens des Arbeitgebers entstehen, sind diese nicht dem Angestellten anzulasten. Der Arbeitgeber ist in solchen Fällen verpflichtet, den vollen Lohn oder das volle Gehalt zu entrichten. Ein Beispiel hierfür wäre ein Produktionsstopp aufgrund technischer Probleme, die der Arbeitgeber zu verantworten hat. In solchen Fällen darf der Angestellte nicht für die entgangene Arbeitsleistung durch Nichtbezahlung des Lohnes bestraft werden (Siehe Art. 324 OR).
Arbeitnehmende sind verpflichtet, ihre Arbeit zu erfüllen. Wenn Minusstunden aufgrund des Verschuldens des Arbeitnehmers entstehen, muss dieser in der Regel die fehlende Arbeitsleitung nacherfüllen.
Lohnabzug bei Minusstunden ist nur zulässig, wenn diese durch das Verschulden des Mitarbeitenden entstanden sind und keine gesetzlichen Ausnahmen einschlägig sind. Wenn ein Arbeitnehmer etwa unentschuldigt am Arbeitsplatz fehlt oder seine Arbeitszeit nicht korrekt einhält, kann der Arbeitgeber einen Lohnabzug vornehmen, um die entstandenen Minusstunden auszugleichen. Dabei darf kein gesetzlicher Ausnahmetatbestand vorliegen. Allerdings darf die Lohnkürzung das Existenzminimum des Arbeitnehmers nicht unterschreiten.
Bei einer Arbeitsverhinderung, die nicht durch das Verschulden des Mitarbeitenden entstanden ist, bleibt die Lohnzahlungspflicht bestehen. Dies ist im Grundsatz der Lohnfortzahlungspflicht verankert. Die Rechtslage ist hier eindeutig: Gemäss Art. 324a OR ist das Unternehmen zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, wenn der Arbeitnehmende aus unverschuldeten Gründen an der Arbeitsleistung gehindert ist. Die Lohnfortzahlungspflicht gilt jedoch nicht unbeschränkt und richtet sich nach der jeweils gültigen Skala.
Die Praxis zeigt, dass der Umgang mit Minderarbeit je nach Unternehmen und Branche variiert. Im Detailhandel sind Minusstunden ein häufiges Thema. Schwankende Kundenfrequenzen und saisonale Unterschiede können zu Minusstunden führen. Beispielsweise kann in ruhigen Zeiten nicht genügend Arbeit vorhanden sein, um die vereinbarte Arbeitszeit zu erfüllen. Dies führt zu Minderarbeit, die entweder nachgearbeitet oder durch andere Massnahmen ausgeglichen werden müssen. Ausnahme: Hat der Arbeitgeber nicht genug Arbeit, muss er dennoch vollen Lohn zahlen – auch wenn weniger gearbeitet wurde.
Ein Beispiel aus der Praxis: In einem Supermarkt kam es während der Sommermonate zu einem deutlichen Rückgang der Kundenfrequenz – es war nicht genügend Arbeit vorhanden. Das Unternehmen muss dennoch den vollen Lohn entrichten. Die Belegschaft konnte ihre Arbeitszeit nicht vollständig einhalten, wodurch Minderarbeit entstand. Der Arbeitgeber bot an, die fehlende Arbeitsleistung durch zusätzliche Arbeit in den Herbstmonaten nachzuholen, wenn wieder mehr Kunden erwartet wurden.
In vielen Branchen regelt der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) den Umgang mit Minusstunden. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sollten sich stets über die spezifischen Bestimmungen im GAV informieren.
Der GAV kann spezielle Regelungen enthalten, die über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehen. Diese können etwa Regelungen zur Kompensation von Minusstunden, zur Lohnfortzahlung und zur Nacharbeit enthalten. Es ist wichtig, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber die Bestimmungen des GAV kennen und beachten.
Ein Beispiel aus dem Schweizer Maler- und Gipsergewerbe:
Ein Team arbeitet auf einer Baustelle im Freien. Wegen starken Regens muss die Arbeit eingestellt werden. Gemäss dem GAV behalten die Arbeitnehmenden in diesem Fall ihren Lohnanspruch. Der Arbeitgeber muss die ausgefallene Zeit bezahlen, ohne dass die verlorenen Stunden nachgearbeitet werden müssen.
Diese Regelung ist im GAV des Maler- und Gipsergewerbes festgelegt und kann bei den Gewerkschaften oder dem SMGV eingesehen werden.
Der Arbeitsvertrag sollte spezielle Regelungen zu Minusstunden enthalten. Es ist wichtig, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber diese Regelungen kennen und verstehen, um Missverständnisse und Konflikte zu vermeiden. Diese Regelungen sollten beinhalten, wie Minusstunden erfasst, kompensiert und nachgearbeitet werden können. Zudem sollte festgelegt werden, ob und in welchem Umfang Lohnabzüge vorgenommen werden dürfen.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Arbeitsvertrag in einem Dienstleistungsunternehmen enthält eine Klausel, die festlegt, dass Minusstunden innerhalb eines Quartals nachgearbeitet werden müssen. Wenn dies nicht möglich ist, verfallen die Minusstunden und der Lohn bleibt unberührt.
Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist die Frage, wie mit bestehenden Minusstunden umgegangen wird, von Bedeutung. Es gibt verschiedene Regelungen und Ansätze.
Bestehen bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch Minusstunden, kann der Arbeitgeber diese von der letzten Lohnzahlung abziehen, sofern dies vertraglich so geregelt ist. Alternativ kann Minderarbeit durch Freizeit oder zusätzliche Arbeit kompensiert werden, wenn dies einvernehmlich zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart wird.
Ein Beispiel aus der Praxis: Eine Mitarbeiterin kündigte ihren Arbeitsvertrag und hatte zum Zeitpunkt der Kündigung noch 20 Minusstunden. Der Arbeitgeber und die Mitarbeiterin einigten sich darauf, dass diese Stunden in den letzten Wochen der Beschäftigung nachgearbeitet werden, um einen Lohnabzug zu vermeiden.
Ferienguthaben können zur Kompensation von Minderarbeit herangezogen werden. Dies bedarf jedoch der Zustimmung beider Parteien. Dies betrifft nur Minusstunden, sofern sie vom Arbeitnehmenden verschuldet sind. Weil Ferien eigentlich der Erholung dienen, werden Minusstunden in der Praxis eher vom Lohn abgezogen.
Arbeitnehmer können freiwillig zustimmen, ihre Ferientage zur Kompensation von Minusstunden zu verwenden. Dies sollte jedoch nicht einseitig vom Arbeitgeber angeordnet werden. Es ist wichtig, dass eine einvernehmliche Lösung gefunden wird, die beide Parteien zufriedenstellt.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Mitarbeiter in einem kleinen Betrieb hatte am Jahresende noch 10 Minusstunden. Der Arbeitgeber bot an, diese Stunden durch Abzug von einem Ferientagen auszugleichen. Der Mitarbeiter stimmte zu, da er ohnehin keinen langen Ferien geplant hatte.
Das Betriebsrisiko trägt der Arbeitgeber. Dies bedeutet, dass Minusstunden, die durch betriebliche Gründe entstehen, nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen.
Wenn Minderarbeit aufgrund betrieblicher Gründe wie Produktionsausfällen, Auftragsmangel oder technischen Störungen entsteht, trägt der Arbeitgeber das Risiko. Der Arbeitnehmende hat Anspruch auf den vollen Lohn, auch wenn er die vereinbarte Arbeitszeit nicht vollständig erfüllen konnte (siehe Art. 324 OR).
In einem Produktionsbetrieb kam es zu einem Lieferengpass bei wichtigen Rohstoffen. Dadurch konnten die Mitarbeiter:innen nicht in vollem Umfang ihrer Arbeit und es entstanden Minusstunden. Der Arbeitgeber trug das Risiko und zahlte den vollen Lohn.
Ein Arbeitnehmer im Logistikbereich konnte seine Arbeitszeit nicht vollständig erfüllen, da wichtige Lieferungen ausblieben. Der Arbeitgeber musste den vollen Lohn zahlen, da der Ausfall der Arbeitsleistung auf betriebliche Gründe zurückzuführen war.
Minusstunden sind ein komplexes Thema im Arbeitsrecht der Schweiz. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten sich über die gesetzlichen Regelungen und vertraglichen Vereinbarungen genau informieren, um Konflikte zu vermeiden und eine faire Lösung zu finden.
Eine klare Regelung im Arbeitsvertrag und die Kenntnis der gesetzlichen Bestimmungen sind essenziell, um den rechtssicheren Umgang mit Minusstunden im Arbeitsverhältnis zu gewährleisten. Arbeitgeber sollten ihre Fürsorgepflicht ernst nehmen und sicherstellen, dass Arbeitnehmer genügend Arbeit haben, um Minderarbeit zu vermeiden. Arbeitnehmer hingegen sollten ihre Pflichten erfüllen und bei auftretendem Minus ihres Arbeitszeitkontos offen mit dem Arbeitgeber kommunizieren, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.
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in der Rubrik Arbeitsrecht