Der Praktiker weiss. Projekte laufen nicht immer perfekt nach Plan. Gelegentlich müssen Sondereinsätze am Wochenende, an einem Feiertag oder gar in der Nacht geleistet werden, damit die Termine gehalten werden können. Ins gleiche Kapitel gehört der Pikettdienst, welcher nicht selten von Kunden mit kritischen Anwendungen zusätzlich verlangt wird.
Wie sind nun aber Sondereinsätze der Mitarbeitenden ausserhalb ihrer normalen Arbeitszeit im Schweizer Recht geregelt? Worauf müssen Sie als Arbeitgeber achten? Der Fall «TailorSoftware» beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.
Die TailorSoftware entwickelt im Rahmen von Projekten mit rund 20 Softwareingenieuren kundenspezifische Softwarelösungen. Bei der von ihr erstellten Software handelt es sich teilweise auch um kritische Applikationen, welche rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Die TailorSoftware hat ihren Geschäftssitz im Kanton Aargau.
Die Mitarbeitenden der TailorSoftware sind im Monatslohn bei einer Soll-Arbeitszeit von 8 Stunden täglich, bzw. 40 Stunden pro Woche (bei 100%-Pensum) fest angestellt. Im Mitarbeiterreglement ist zur Arbeitszeit folgendes festgehalten:
Seit dem 1. Januar 2018 muss nun ein Grossteil der Mitarbeitenden für den Betrieb eines Teils der Softwarelösungen einen 24/7 Pikettdienst sicherstellen. Für die Abgeltung des Pikettdienstes wurden abhängig von den Wochentagen und der Uhrzeit Vergütungspauschalen eingeführt, welche die Mitarbeitenden zusätzlich zu ihrem Lohn erhalten. Die Pikettzulage erhält ein Mitarbeiter auch dann, wenn er während seiner Bereitschaft keinen Arbeitseinsatz leisten musste.
Aufgrund dieser neuen Situation stellen sich für den Geschäftsführer (und damit rechtlich gesehen für den «Arbeitgeber») der TailorSoftware ab dem 1.1.2018 einige wichtige Fragen im Zusammenhang mit möglichen Sondereinsätzen seiner Mitarbeitenden. Um diese abzuklären, spricht er bei seinem Rechtsberater vor.
Hier ist nicht die Pikettpauschale gemeint, sondern ein Arbeitseinsatz, der effektiv und unabhängig von der Pikettbereitschaft geleistet wird.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Ja, sie müssen. Hier die Details.
Die gesetzliche Definition dazu findet sich in Artikel 40 Absatz 1 der sogenannten Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (abgekürzt ArGV 1).
Im Regelfall wird die beim Pikettdienst der TailorSoftware eventuell anfallende Nacht- und/oder Sonntagsarbeit vorübergehend im Sinne des Gesetzes sein. Da Sie als Arbeitgeber aber dafür ohnehin eine Bewilligung einholen müssen, klärt sich der konkrete Fall bereits dort.
Die Höhe der Pikettentlöhnung kann zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (mit Ausnahme von gesamtvertraglichen Regeln) frei vereinbart werden. In der Praxis wird oft eine Pauschale pro Einsatz, pro Woche oder gar pro Monat vereinbart. Der Pikettdienst kann auch mit dem normalen Monatslohn abgegolten werden.
Auf die Pikettentlöhnung sind die gewöhnlichen Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Bei der beruflichen Vorsorge kommt es auf den jeweiligen Pensionskassenvertrag an, ob darauf auch BVG-Beiträge entrichtet werden müssen. Meistens wird dies nicht der Fall sein. Aus Gründen einer besseren Transparenz sollte die Pikettentlöhnung auf der Lohnabrechnung mittels einer eigenen Lohnart separat ausgewiesen werden.
Nein. Wenn ein Mitarbeiter ohne Anordnung arbeitet, dann entfallen die Zuschläge von mindestens 25% bei Nacht- und 50% bei Sonntagsarbeit.
Achtung: Arbeitet ein Mitarbeiter z.B. während seines Pikettdienstes in der Nacht, dann gilt diese Arbeit selbstverständlich als «angeordnet». Er muss also nicht beim Vorliegen eines Notfalls in der Nacht seinen Chef anrufen und ihn bitten, den Einsatz ausdrücklich anzuordnen. Kann er hingegen um 1 Uhr nachts nicht mehr schlafen und beginnt dann aus Langeweile zu arbeiten, so hat er keinen Anspruch auf einen Nachtzuschlag von 25%, den er tut dies freiwillig.
Zuerst muss ich noch den Unterschied zwischen «Überzeit» und «Überstunden» klären: Überstunden ist die Arbeitszeit, die die bei der TailorSoftware vertraglich vereinbarten 40 Stunden pro Woche überschreitet. Wohingegen Überzeit die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit ist. Für Büropersonal, und dazu gehören die Softwareentwickler der TailorSoftware, gilt eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche.
Die Regelung betreffend Überzeit würde ich nun folgendermassen präzisieren, um den gesetzlichen Bestimmungen betreffend Höchstarbeitszeit stärker Rechnung zu tragen:
«Die geleistete Arbeitszeit pro Woche sollte 45 Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus sollte die Überzeit für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr insgesamt nicht mehr betragen als 60 Stunden. Die Überzeit ist innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen.»
Bei der Regelung der Ruhezeit würde ich mich enger an die gesetzliche Vorschrift in Artikel 15a Arbeitsgesetz anlehnen und dies folgendermassen formulieren:
«Zwischen dem Arbeitsende und dem Arbeitsbeginn am nächsten Tag sollten grundsätzlich mindestens 11 Stunden Ruhezeit liegen. Ausnahmsweise kann die Ruhezeit einmal pro Woche auf bis zu 8 Stunden herabgesetzt werden, sofern die Dauer von 11 Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen eingehalten wird.»
Eine dauerhafte und regelmässige Sonntags- und/oder Nacharbeit wird vom SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft des Bundes) bewilligt. Die für die TailorSoftware eher relevante vorübergehende Sonntags- und/oder Nachtarbeit wird hingegen von einer kantonalen Behörde bewilligt (Artikel 17 Absatz 5, Artikel 19 Absatz 4 Arbeitsgesetz). Im Kanton Aargau ist dies die Industrie- und Gewerbeaufsicht.
Als Nachtarbeit gilt die Arbeitszeit zwischen 23.00 und 06.00. Als Sonntagsarbeit gilt die Zeit zwischen Samstag 23.00 und Sonntag 23.00. Und nochmals, offizielle Feiertage gelten als Sonntage.
Der Samstag wird wie jeder «normale» Arbeitstag von Montag bis Freitag behandelt. Das Gesetz kennt keine bestimmten Vorschriften für den Samstag.
Bei vorübergehender Nachtarbeit darf nicht mit Freizeit kompensiert werden. Hier ist zwingend der Mindestzuschlag von 25% zu bezahlen. Bei dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit darf unter bestimmten Bedingungen kompensiert werden (Artikel 17b Arbeitsgesetz).
Bei vorübergehender Sonntagsarbeit ist auch der Lohnzuschlag von mindestens 50% zwingend geschuldet. Bei dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Sonntagsarbeit hingegen nicht. Dort wird die Sonntagsarbeit in der Praxis durch einen ohnehin schon höheren Lohn ausgeglichen werden.
Kürzlich hat das Eidgenössische Wirtschaftsdepartement (WBF) eine Änderung an der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz in der Vernehmlassung geschickt. Danach soll es künftig möglich sein, dass notwendige IT-Arbeiten an kritischen Infrastrukturen sowohl von den internen wie auch von den externen IT-Spezialisten an Sonntagen und in der Nacht ohne Bewilligung durchgeführt werden können. Die Änderung befindet sich bis Ende Oktober 2018 in der Vernehmlassung. Mit einem Inkrafttreten ist nicht vor dem 1.1.2019 zu rechnen.
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in der Rubrik Arbeitsrecht