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Regelung von Sondereinsätzen im Schweizer Arbeitsrecht

Simon Grenacher
Dienstag, 7. August 2018

Der Praktiker weiss. Projekte laufen nicht immer perfekt nach Plan. Gelegentlich müssen Sondereinsätze am Wochenende, an einem Feiertag oder gar in der Nacht geleistet werden, damit die Termine gehalten werden können. Ins gleiche Kapitel gehört der Pikettdienst, welcher nicht selten von Kunden mit kritischen Anwendungen zusätzlich verlangt wird.

Wie sind nun aber Sondereinsätze der Mitarbeitenden ausserhalb ihrer normalen Arbeitszeit im Schweizer Recht geregelt? Worauf müssen Sie als Arbeitgeber achten? Der Fall «TailorSoftware» beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.

Sachverhalt

Die TailorSoftware entwickelt im Rahmen von Projekten mit rund 20 Softwareingenieuren kundenspezifische Softwarelösungen. Bei der von ihr erstellten Software handelt es sich teilweise auch um kritische Applikationen, welche rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Die TailorSoftware hat ihren Geschäftssitz im Kanton Aargau.

Die Mitarbeitenden der TailorSoftware sind im Monatslohn bei einer Soll-Arbeitszeit von 8 Stunden täglich, bzw. 40 Stunden pro Woche (bei 100%-Pensum) fest angestellt. Im Mitarbeiterreglement ist zur Arbeitszeit folgendes festgehalten:

  • Die Arbeitszeit pro Woche sollte 45 Stunden nicht überschreiten. Ausnahmsweise und für kurze Zeit darfst du pro Woche bis zu 55 Stunden arbeiten.
  • Die minimale Arbeitszeit pro Tag beträgt 4 Stunden. Du leistest diese, wenn möglich während der üblichen Geschäftszeiten, jedoch immer zwischen 06.00 und 23.00. Du sollst auf keinen Fall länger als 14 Stunden pro Tag arbeiten.
  • Zwischen dem Arbeitsende und dem Arbeitsbeginn am nächsten Tag sollten 11 Stunden Ruhezeit liegen. In Ausnahmefällen kannst du die Ruhezeit auf 8 Stunden verkürzen.
  • Du machst angemessen Pausen. Ist dein Arbeitstag länger als 9 Stunden, so sollte die Mittagspause mindestens eine Stunde dauern.
  • An Sonn- und Feiertagen arbeitest du in der Regel nicht.

Seit dem 1. Januar 2018 muss nun ein Grossteil der Mitarbeitenden für den Betrieb eines Teils der Softwarelösungen einen 24/7 Pikettdienst sicherstellen. Für die Abgeltung des Pikettdienstes wurden abhängig von den Wochentagen und der Uhrzeit Vergütungspauschalen eingeführt, welche die Mitarbeitenden zusätzlich zu ihrem Lohn erhalten. Die Pikettzulage erhält ein Mitarbeiter auch dann, wenn er während seiner Bereitschaft keinen Arbeitseinsatz leisten musste.

Aufgrund dieser neuen Situation stellen sich für den Geschäftsführer (und damit rechtlich gesehen für den «Arbeitgeber») der TailorSoftware ab dem 1.1.2018 einige wichtige Fragen im Zusammenhang mit möglichen Sondereinsätzen seiner Mitarbeitenden. Um diese abzuklären, spricht er bei seinem Rechtsberater vor.

Die Fragen und Antworten

Müssen Einsätze in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen gesondert mittels Zuschlägen zum normalen Lohn vergütet werden?

Hier ist nicht die Pikettpauschale gemeint, sondern ein Arbeitseinsatz, der effektiv und unabhängig von der Pikettbereitschaft geleistet wird.

Um es gleich vorweg zu nehmen. Ja, sie müssen. Hier die Details.

  • Nacht- und Sonntagsarbeit ist gemäss dem Schweizer Arbeitsgesetz (ArG) grundsätzlich verboten. Allerdings können davon Ausnahmen bewilligt werden. Zum Bewilligungsverfahren weiter unten mehr.
  • Ein Feiertag gilt als Sonntag.
  • Bei bewilligter Nachtarbeit oder Sonntagsarbeit wird zwischen vorübergehender Nacht-/Sonntagsarbeit und dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Nacht-/Sonntagsarbeit unterschieden.
  • Die TailorSoftware hat nicht die Absicht, ihre Softwareentwickler regelmässig in der Nacht oder am Sonntag arbeiten zu lassen. Sie interessiert sich somit weniger für die Regelung von regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit.
  • Hingegen wird es vorkommen, dass Mitarbeitende ausnahmsweise während ihres Pikettdienstes in der Nacht oder am Sonntag werden arbeiten müssen. Der Zuschlag zum normalen Lohn beträgt bei Nachtarbeit mindestens 25% (Artikel 17b Absatz 1 Arbeitsgesetz), bei Sonntagsarbeit mindestens 50% (Artikel 19 Absatz 3 Arbeitsgesetz).
  • Der Mitarbeitende muss mit Nachtarbeit einverstanden sein.
  • Feiertage: Der 1. August gilt als Feiertag und ist dem Sonntag gleichgestellt. Weiter dürfen die Kantone weitere maximal 8 Tage zu Feiertagen erklären und damit den Sonntagen gleichstellen. Welche dies sind, finden sich in den kantonalen Einführungsgesetzen zum Arbeitsgesetz. In aller Regel sind dies mindestens Neujahr, Karfreitag, Ostermontag, Auffahrt, Pfingstmontag, Weihnachten und der Stephanstag.

Wenn das Gesetz zwischen vorübergehender und zwischen dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Nacht-/Sonntagsarbeit unterscheidet, wie ist diese Unterscheidung definiert?

Die gesetzliche Definition dazu findet sich in Artikel 40 Absatz 1 der sogenannten Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (abgekürzt ArGV 1).

Im Regelfall wird die beim Pikettdienst der TailorSoftware eventuell anfallende Nacht- und/oder Sonntagsarbeit vorübergehend im Sinne des Gesetzes sein. Da Sie als Arbeitgeber aber dafür ohnehin eine Bewilligung einholen müssen, klärt sich der konkrete Fall bereits dort.

Wie muss die Entlöhnung für den Pikettdienst vergütet und abgerechnet werden?

Die Höhe der Pikettentlöhnung kann zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer (mit Ausnahme von gesamtvertraglichen Regeln) frei vereinbart werden. In der Praxis wird oft eine Pauschale pro Einsatz, pro Woche oder gar pro Monat vereinbart. Der Pikettdienst kann auch mit dem normalen Monatslohn abgegolten werden.

Auf die Pikettentlöhnung sind die gewöhnlichen Sozialversicherungsbeiträge zu bezahlen. Bei der beruflichen Vorsorge kommt es auf den jeweiligen Pensionskassenvertrag an, ob darauf auch BVG-Beiträge entrichtet werden müssen. Meistens wird dies nicht der Fall sein. Aus Gründen einer besseren Transparenz sollte die Pikettentlöhnung auf der Lohnabrechnung mittels einer eigenen Lohnart separat ausgewiesen werden.

Was ist, wenn ein Mitarbeiter ohne Anordnung (freiwillig) in der Nacht oder am Wochenende arbeitet. Müssen dann die Zuschläge auch bezahlt werden?

Nein. Wenn ein Mitarbeiter ohne Anordnung arbeitet, dann entfallen die Zuschläge von mindestens 25% bei Nacht- und 50% bei Sonntagsarbeit.

Achtung: Arbeitet ein Mitarbeiter z.B. während seines Pikettdienstes in der Nacht, dann gilt diese Arbeit selbstverständlich als «angeordnet». Er muss also nicht beim Vorliegen eines Notfalls in der Nacht seinen Chef anrufen und ihn bitten, den Einsatz ausdrücklich anzuordnen. Kann er hingegen um 1 Uhr nachts nicht mehr schlafen und beginnt dann aus Langeweile zu arbeiten, so hat er keinen Anspruch auf einen Nachtzuschlag von 25%, den er tut dies freiwillig.

Wie sollten wir unsere Arbeitsverträge und das Mitarbeiterreglement anpassen, damit wir rechtlich «save» sind?

Zuerst muss ich noch den Unterschied zwischen «Überzeit» und «Überstunden» klären: Überstunden ist die Arbeitszeit, die die bei der TailorSoftware vertraglich vereinbarten 40 Stunden pro Woche überschreitet. Wohingegen Überzeit die Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit ist. Für Büropersonal, und dazu gehören die Softwareentwickler der TailorSoftware, gilt eine gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche.

Die Regelung betreffend Überzeit würde ich nun folgendermassen präzisieren, um den gesetzlichen Bestimmungen betreffend Höchstarbeitszeit stärker Rechnung zu tragen:

«Die geleistete Arbeitszeit pro Woche sollte 45 Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus sollte die Überzeit für den einzelnen Arbeitnehmer zwei Stunden im Tag nicht überschreiten, ausser an arbeitsfreien Werktagen oder in Notfällen, und im Kalenderjahr insgesamt nicht mehr betragen als 60 Stunden. Die Überzeit ist innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch Freizeit von gleicher Dauer auszugleichen.»

Bei der Regelung der Ruhezeit würde ich mich enger an die gesetzliche Vorschrift in Artikel 15a Arbeitsgesetz anlehnen und dies folgendermassen formulieren:

«Zwischen dem Arbeitsende und dem Arbeitsbeginn am nächsten Tag sollten grundsätzlich mindestens 11 Stunden Ruhezeit liegen. Ausnahmsweise kann die Ruhezeit einmal pro Woche auf bis zu 8 Stunden herabgesetzt werden, sofern die Dauer von 11 Stunden im Durchschnitt von zwei Wochen eingehalten wird.»

Nacht- und Sonntagsarbeit ist ja grundsätzlich verboten, beziehungsweise ist bewilligungspflichtig. Wo müssen wir für unsere Ausnahmen ein diesbezügliches Gesuch stellen?

Eine dauerhafte und regelmässige Sonntags- und/oder Nacharbeit wird vom SECO (Staatssekretariat für Wirtschaft des Bundes) bewilligt. Die für die TailorSoftware eher relevante vorübergehende Sonntags- und/oder Nachtarbeit wird hingegen von einer kantonalen Behörde bewilligt (Artikel 17 Absatz 5, Artikel 19 Absatz 4 Arbeitsgesetz). Im Kanton Aargau ist dies die Industrie- und Gewerbeaufsicht.

Was gilt nach Gesetz als Nachtarbeit? Und was gilt als Sonntagsarbeit?

Als Nachtarbeit gilt die Arbeitszeit zwischen 23.00 und 06.00. Als Sonntagsarbeit gilt die Zeit zwischen Samstag 23.00 und Sonntag 23.00. Und nochmals, offizielle Feiertage gelten als Sonntage.

Wie wird eigentlich der Samstag behandelt?

Der Samstag wird wie jeder «normale» Arbeitstag von Montag bis Freitag behandelt. Das Gesetz kennt keine bestimmten Vorschriften für den Samstag.

Müssen die Zuschläge auf Nacht- oder Sonntagsarbeit immer als Lohn vergütet werden, oder können sie auch mit Freizeit abgegolten werden?

Bei vorübergehender Nachtarbeit darf nicht mit Freizeit kompensiert werden. Hier ist zwingend der Mindestzuschlag von 25% zu bezahlen. Bei dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Nachtarbeit darf unter bestimmten Bedingungen kompensiert werden (Artikel 17b Arbeitsgesetz).

Bei vorübergehender Sonntagsarbeit ist auch der Lohnzuschlag von mindestens 50% zwingend geschuldet. Bei dauerhafter oder regelmässig wiederkehrender Sonntagsarbeit hingegen nicht. Dort wird die Sonntagsarbeit in der Praxis durch einen ohnehin schon höheren Lohn ausgeglichen werden.

Aktuell: Künftig sollen IT-Arbeiten an Sonntagen und in der Nacht auch bewilligungsfrei möglich sein

Kürzlich hat das Eidgenössische Wirtschaftsdepartement (WBF) eine Änderung an der Verordnung 2 zum Arbeitsgesetz in der Vernehmlassung geschickt. Danach soll es künftig möglich sein, dass notwendige IT-Arbeiten an kritischen Infrastrukturen sowohl von den internen wie auch von den externen IT-Spezialisten an Sonntagen und in der Nacht ohne Bewilligung durchgeführt werden können. Die Änderung befindet sich bis Ende Oktober 2018 in der Vernehmlassung. Mit einem Inkrafttreten ist nicht vor dem 1.1.2019 zu rechnen.

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