Das schweizerische Arbeitsgesetz, welches unter anderem die Arbeits- und Ruhezeiten und die Pflicht zur Zeiterfassung regelt, stammt aus dem Jahr 1964. Auch wenn es schon öfters revidiert wurde, so atmet es im Kern immer noch den Geist des Industriezeitalters. Aber heute, fast sechzig Jahre später, finden wir uns wieder im Wissens- und Digitalisierungszeitalter. Damit haben sich viele Zeichen fundamental geändert.
Neue Branchen sind entstanden, die Unternehmen haben sich komplett verändert und mit ihnen die Arbeitsplätze und die Anforderungen an Mitarbeitende. Andererseits haben sich auch die Bedürfnisse der Arbeitnehmenden grundlegend gewandelt. Mobiles Arbeiten, Homeoffice, flexible Arbeitszeitmodelle und vieles mehr sind heute Kriterien, die für die Wahl eines Arbeitgebers ausschlaggebend sein können.
Bereits im März 2016 hatte Ständerat Konrad Graber eine parlamentarische Initiative zur Flexibilisierung des Arbeitsgesetzes eingereicht. Aktuell befindet sich diese in der Vernehmlassung bei den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden.
Zur Flexibilisierung und damit zur Anpassung des geltenden Arbeitsgesetzes an die heutigen Realitäten regt Ständerat Graber folgende Änderungen des Arbeitsgesetzes an:
Ständerat Graber hält in seinem Vorstoss fest, dass mit diesen Massnahmen weder die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden pro Woche erhöht, noch die Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmenden tangiert werden. Vielmehr soll das hinsichtlich Arbeitszeiten und Ruhezeiten in vielen Punkten nicht mehr zeitgemässe Arbeitsgesetz den heutigen Realitäten angepasst werden. Vor allem projektorientierte Dienstleister sollen mehr Flexibilität beim Einsatz ihrer Fachkräfte bekommen und wieder wettbewerbsfähiger werden. In seiner Eingabe (https://www.parlament.ch/de/ratsbetrieb/suche-curia-vista/geschaeft?AffairId=20160414) begründet er seine Vorschläge ausführlich.
Anfangs Dezember nimmt der ICT-Dachverband ICTswitzerland zum Vorstoss Stellung (https://ictswitzerland.ch/publikationen/neue-arbeitszeitmodelle/). Unter dem Titel «Neue Arbeitszeitmodelle: Nicht härter, sondern smarter» stellt sich der Verband voll hinter Grabers Anliegen. Eine Flexibilisierung des teilweise starren Arbeitsgesetzes helfe nicht nur den in der Branche tätigen Dienstleistungsunternehmen, sondern sei auch im Interesse der dort tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
So heisst es:
«Mit dem heutigen Arbeitsgesetz kann dem Bedürfnis nach mehr Flexibilität und smarter Selbstgestaltung des Arbeitsalltags nicht entsprochen werden. Gerade in der ICT-Wirtschaft, in der projektbasiertes Arbeiten die Regel ist, zeigt sich die Kluft zwischen Realität und Gesetzgebung besonders deutlich. ICTswitzerland votiert deshalb für die Umsetzung eines Jahresarbeitszeitmodells für Führungs- und Fachkräfte (ca. 15-20 % der Erwerbstätigen), wie sie in der parlamentarischen Initiative von Ständerat Konrad Graber vorgeschlagen wird.»
ICTswitzerland argumentiert vor allem auch mit den Bedürfnissen moderner Wissensarbeiter und mit dem Fachkräftemangel, indem es weiter ausführt:
«Mitarbeitende wollen ihr berufliches und ausserberufliches Leben flexibel gestalten. Beispielsweise nehmen Teilzeitpensen bei Frauen und Männern zu und die Digitalisierung ermöglicht unkompliziertes Homeoffice. Schweizer Unternehmen müssen Spielraum haben, um sich als möglichst attraktive Arbeitgeber positionieren zu können. Vor allem in Bereichen mit hohem Fachkräftemangel ist dies unabdingbar.»
Der Geschäftsführer von ICTswitzerland Andreas Kaelin erklärt in der Pressemitteilung weiter: «ICT-Fachkräfte sind in zahlreichen Wirtschaftszweigen äusserst gefragt. Das Berufsfeld wächst mehr als doppelt so schnell wie das der Gesamtwirtschaft und wir sind mit einem akuten und zunehmenden Fachkräftemangel konfrontiert. Vor diesem Hintergrund ist die ICT-Wirtschaft hoch motiviert, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist also nicht im Interesse der Branche, dass zukünftig länger oder härter gearbeitet werden muss. Es geht darum, dass smarter gearbeitet werden kann.»
Die Stellungnahme von ICTswitzerland entspricht auch meiner Wahrnehmung und meinen Erfahrungen als IT-Unternehmer. Wer sich als Unternehmer strikte an das Arbeitsgesetz halten will, befindet sich nicht selten im Clinch mit seinen Kundenprojekten, damit auch mit seinen Kunden selbst und nicht selten auch mit seinen Mitarbeitenden, die sich mehr Flexibilität wünschen. Oftmals haben ausländische IT-Unternehmen in dieser Hinsicht günstigere Rahmenbedingungen und damit gegenüber hiesigen Firmen einen Wettbewerbsvorteil. Ständerat Graber bringt dafür auch ein Beispiel: «So hat Google Arbeitsplätze unter anderem mit dem Verweis auf die unflexiblen Arbeitszeitvorschriften nach London ausgelagert» – von Zürich aus, notabene.
Der Vorstoss von Konrad Graber beschränkt sich übrigens nicht auf ICT-Dienstleister. Er will dem Bundesrat auf dem Verordnungsweg die Kompetenz geben, auch in anderen (projektorientierten) Dienstleistungsbranchen Flexibilisierungen von den Arbeitszeit- und Ruhezeitregeln und anderen Vorschriften in Sachen Zeiterfassung etc. einzuführen.
Die angeregte Teilrevision des Arbeitsgesetzes befindet sich – wie ich oben schon feststellte – momentan noch in der Vernehmlassung. Sobald sie umgesetzt und in Kraft treten sollte, werde ich in unserem Blog wieder informieren. Also, stay tuned!
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