Ratgeber Arbeitsrecht
Regelmässig müssen sich Gerichte mit strittigen Forderungen nach Überstundenentschädigungen von ausgetretenen Arbeitnehmenden beschäftigen. Dabei geht es oft nicht nur um die Frage nach erbrachten Überstunden, regelmässig wird auch die finanzielle Abgeltung von Überzeit verlangt.
Das wäre nicht nötig. Wenn Sie als Arbeitgeber die folgenden Ausführungen kennen und in Ihrem Unternehmen umsetzen, dann sind Sie vor solchen, für beide Seiten unerfreulichen, Auseinandersetzungen gefeit.
Überstunden sind Arbeitsstunden, welche die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen (Artikel 321c Obligationenrecht).
Gelten in Ihrem Unternehmen also beispielsweise 40 Stunden pro Woche bei 100% Pensum als vertragliche Arbeitszeit, so zählen die Stunden über 40 bis zur Überzeitgrenze von 45 Stunden (also max. 5 Stunden) als Überstunden.
Als Massstab gilt somit die von den Parteien (also Arbeitnehmer und Arbeitgeber) im Arbeitsvertrag festlegte Soll-Arbeitszeit.
Überzeit sind Arbeitsstunden, welche die gesetzliche Höchstarbeitszeit
pro Woche übersteigen.
Als Massstab gilt somit die vom Arbeitsgesetz in Artikel 9 festgelegte Höchstarbeitszeit.
Überstunden sind Arbeitsstunden, welche die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit übersteigen. Wohingegen Überzeit diejenige Arbeitszeit ist, welche die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 bzw. 50 Arbeitsstunden pro Woche übersteigt.
Überstunden – und indirekt damit auch Überzeit – sind immer dann notwendig, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet werden. Sind die Überstunden angeordnet, so ist der Arbeitnehmende gemäss Art. 321c Abs. 1 Obligationenrecht zu ihrer Leistung verpflichtet, wenn einige Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind.
Für die Abgeltung von Überstunden gilt folgendes:
Für die Abgeltung von Überzeit gilt folgendes:
Da die Leistung von Überzeit – im Gegensatz zu den Überstunden – meist die Ausnahme bleibt, kann eine Regelung der Überzeit im Arbeitsvertrag vernachlässigt werden. Zumal dort kaum Spielraum für vertragliche Abweichungen vorhanden ist.
Das Gesetz lässt Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich einen grossen Spielraum zur vertraglichen Ausgestaltung von Überstunden und ihrer Entschädigung. Die Vertragsbestimmungen müssen jedoch gesetzeskonform, klar und verständlich sein. Sind sie das nicht, tritt automatisch das Gesetz an ihre Stelle.
In der Praxis finden sich oft in Arbeitsverträgen Überstundenregelungen, die unklar sind und folglich nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses regelmässig zu Streitigkeiten führen. In der Folge beleuchten wir die Themen «Überstunden» und «Überzeit» und schliessen unseren Beitrag alsdann mit konkreten Tipps, wie Sie die Arbeitsverträge in Ihrem Unternehmen «sicherer» machen können.
Arbeitnehmende haben normalerweise nur das vertraglich vereinbarte Arbeitspensum (wir nennen dies meist Soll-Arbeitszeit) zu verrichten. Ausnahmsweise müssen sie Überstunden leisten, nämlich wenn folgende vier Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt sind (Art. 321c Abs. 1 Obligationenrecht):
Hat der Arbeitnehmende Überstunden geleistet und will er dafür entschädigt werden (mit Lohnzuschlag oder Freizeit), so muss er beweisen, dass die Überstundenarbeit vom Arbeitgeber angeordnet wurde.
Die «Anordnung» muss in der Regel ausdrücklich erfolgen. In Ausnahmen kann sie aber auch stillschweigend geschehen. Wenn z.B. ein Supportmitarbeiter eine dringende Kundenanfrage fertig löst, obwohl er dazu Überstundenarbeit leisten muss, so gilt diese Mehrarbeitszeit als indirekt angeordnet. Dies, weil der Arbeitgeber – wenn er davon gewusst hätte – die Anordnung mit grosser Sicherheit auch selbst so erteilt hätte.
Gemäss Artikel 321c Absatz 3 Obligationenrecht müssen Überstunden grundsätzlich mit einem Zuschlag von 25% auf den normalen Lohn abgegolten werden. Davon gibt es aber folgende Ausnahmen:
Überstunden müssen auch dann bezahlt werden, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt:
D.h., wurden sie ordnungsgemäss geleistet, so besteht der Anspruch auf Ausgleich (in Freizeit bzw. in Lohnzuschlag) ohne zeitliche Einschränkung.
Allerdings gilt auch:
Zusammengefasst: Überstundenansprüche verfallen nicht, ihre Forderung verjährt aber nach 5 Jahren. Beim Austritt aus der Firma darf der Mitarbeitende gültig auf Überstunden verzichten.
Auf die Teilzeitarbeit sind die gleichen arbeitsrechtlichen Regeln anzuwenden, wie auf die Vollzeitarbeit auch (Artikel 319ff. Obligationenrecht).
Somit gilt auch Artikel 321c Obligationenrecht, welcher den Arbeitnehmenden dann zur Überstundenarbeit verpflichtet, wenn sie betrieblich notwendig ist, wenn sie der Arbeitnehmende sie zu leisten vermag und, wenn sie ihm nach Treu und Glauben zugemutet werden kann.
Oft haben sie jedoch noch weitere Verpflichtungen, vor allem aus einem anderen Teilzeitarbeitsverhältnis, was ihre Pflicht praktisch beschränkt. In diesem Sinne vermögen sie die gewünschten Überstunden nicht zu leisten, was sie gemäss Artikel 231c Absatz 1 Obligationenrecht davon befreit.
Überstundenzuschlag und Kompensation durch Freizeit können vertraglich ganz oder teilweise ausgeschlossen werden: So kann im Arbeitsvertrag definiert werden, dass allfällige Überstunden bereits mit dem monatlichen Lohn abgegolten werden oder, dass Überstunden erst ab einer bestimmten Anzahl ausbezahlt werden.
Die Kompensation von Überstunden durch Freizeit darf nicht einseitig vom Arbeitgeber verordnet werden: Als Arbeitgeber dürfen Sie die Kompensation durch Freizeit nicht einseitig diktieren. Selbst dann nicht, wenn Sie Ihren Mitarbeitenden freigestellt haben (und ihm während seiner Freistellungszeit den Lohn bezahlen). Möchten Sie daher unbedingt, dass Ihre Mitarbeitenden die Überstunden durch Freizeit kompensieren, so sollten Sie dazu eine entsprechende Regel im Arbeitsvertrag aufnehmen. Soll die kompensierte Freizeit ausserdem länger als die aufgelaufenen Überstunden sein (z.B. plus 25% analog zum Überstundenzuschlag), so empfiehlt es sich, auch dies vertraglich zugunsten des Arbeitnehmenden festzulegen.
Achtung: Die oben beschriebenen vertraglichen Möglichkeiten werden oft von sogenannten Gesamtarbeitsverträgen eingeschränkt. Als Arbeitgeber müssen Sie diese Verträge zwingend beachten. Bevor Sie also Überstunden oder Kompensationen in Ihren Arbeitsverträgen ausschliessen, sollten Sie prüfen, ob für Ihre Branche und Ihr Unternehmen ein Gesamtarbeitsvertrag gilt und, was dort in diesen Fragen zwingend geregelt ist.
Überstunden sind immer dann notwendig, wenn sie vom Arbeitgeber angeordnet werden. Sind die Überstunden angeordnet, so ist der Arbeitnehmende gemäss Art. 321c Abs. 1 Obligationenrecht zu ihrer Leistung auch verpflichtet. Andererseits wurden die Überstunden nicht angeordnet, so hat der Arbeitnehmenden auch keinen Anspruch auf eine Entschädigung.
In der Praxis stellt sich oft die Frage, was unter Anordnung der Überstunden genau zu verstehen ist und wie diese konkret zu erfolgen hat. Die «Anordnung» muss nämlich nicht immer explizit erfolgen. Dazu folgendes:
Die Anordnung kann auch durch nachträgliche Genehmigung und sogar stillschweigend erfolgen. Einer ausdrücklichen Anordnung von Überstundenarbeit gleichgesetzt ist es, wenn der Arbeitgeber von der Leistung der Überstunden wusste (oder hätte wissen müssen) und dagegen nicht eingeschritten ist. Das gilt selbst dann, wenn im Arbeitsvertrag nur ausdrücklich angeordnete Überstunden als abgeltungspflichtig bezeichnet werden.
Wenn Sie als Arbeitgeber also um die Überstundenarbeit Ihres Arbeitnehmers wissen oder wissen mussten und nichts dagegen unternehmen, gelten die Überstunden als angeordnet und damit genehmigt und sind folglich – sofern nichts anderes vereinbart ist – mit Zuschlag entschädigungspflichtig.
Es empfiehlt sich also dringend, als Arbeitgeber die Überstunden seiner Arbeitnehmenden sauber unter Kontrolle zu halten. Dazu empfehlen wir natürlich den Einsatz einer professionellen Zeiterfassungs-Software wie beispielsweise proles ;-).
Wird die normale Arbeit für kurze Zeit ausgesetzt, so darf der Arbeitgeber innert einer angemessenen Frist einen Ausgleich in Arbeit derselben Länge verlangen. Wir sprechen dann von Ausgleichsarbeit. Im Prinzip handelt es sich also um ein Nachholen verpasster Arbeitszeit oder um «Nachsitzen».
Dabei gilt es zu beachten:
Typisches Beispiel: Ein Mitarbeitender verlässt seinen Arbeitsplatz für 3 Stunden, um einer privaten Verpflichtung nachzukommen. Seine Abwesenheit lässt sich nicht über die gleitende Arbeitszeit regeln und er nimmt dafür auch keine Ferien. Drei Wochen später arbeitet er in der fraglichen Woche statt der vertraglich vereinbarten 40 Stunden 43 Stunden, ohne dass daraus Überstundenarbeit entstehen würde.
Leitende Angestellte sind Arbeitnehmende mit Kaderfunktion, welche grosse Entscheidungskompetenzen haben, in der Regel einen höheren Lohn beziehen sowie in ihrer Zeiteinteilung frei sind. Bei diesen Mitarbeitenden, bei welchen die Arbeitszeit oft nicht exakt nach Stunden definiert ist, wird in der Rechtspraxis davon ausgegangen, dass die Leistung eines höheren Pensums (eben der Überstunden) auch durch den höheren Lohn bereits abgegolten wird.
Leitende Angestellte haben nach neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung nur dann einen Anspruch auf Bezahlung von Überstunden, wenn einer der folgenden Fälle gegeben ist:
Als Arbeitgeber sollte man sich jedoch nicht auf die Qualifizierung als leitender Angestellter verlassen, sondern vorab eine klare Überstundenregelung in Verträgen für leitende Angestellte (das Kader) aufnehmen.
Überzeitstunden sind Arbeitsstunden, welche die gesetzliche Höchstarbeitszeit von 45 Stunden (für Arbeitnehmer in industriellen Betrieben sowie für Büropersonal, technische und andere Angestellte, einschliesslich des Verkaufspersonals in Grossbetrieben des Detailhandels) bzw. 50 Stunden (für alle übrigen Arbeitnehmer) pro Woche übersteigen.
Die Unterscheidung zwischen Überstunden und Überzeit ist da von Bedeutung, wo die Entschädigung für Überstundenarbeit vertraglich ausgeschlossen wurde. Das geht bei der Überzeit nämlich nicht. Gemäss Arbeitsgesetz muss die Überzeit zwingend mit einem Zuschlag von 25 % vergütet oder – wenn der Arbeitnehmende damit einverstanden ist – durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer kompensiert werden. Eine Wegbedingung der Entschädigung für erbrachte Überzeit (mit Zuschlag) oder Kompensation wäre gegen das Arbeitsgesetz und somit ungültig.
Ausnahme: Das Gesetz unterscheidet zwischen «leitenden Angestellten» (Kader) und «höheren leitenden Angestellten» (Verwaltungsräte, Geschäftsführer etc.). Das Arbeitsgesetz gilt für höhere leitende Angestellte nicht. Diese können daher gar keine Überzeit arbeiten.
Da die Leistung von Überzeit – im Gegensatz zu den Überstunden – meist die Ausnahme bleibt, kann eine Regelung der Überzeit im Arbeitsvertrag vernachlässigt werden. Zumal dort kaum Spielraum für vertragliche Abweichungen vorhanden ist.
Je nach wöchentlicher Höchstarbeitszeit (gemäss Artikel 9 Absatz 1 Arbeitsgesetz) wird die maximal zulässige Überzeit in Artikel 12 Absatz 2 Arbeitsgesetz wie folgt festgelegt:
Ergänzend bestimmt Artikel 12 ArbG, dass an einem Arbeitstag die Überzeit nicht mehr als 2 Stunden betragen darf.
Ein Beispiel: In Ihrem Betrieb beträgt die wöchentliche Soll-Arbeitszeit 42 Stunden. Die Differenz von diesen 42 zu den 45 Stunden sind Überstunden (Überschreitung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit) und nicht Überzeit (Überschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit).
Maximal dürfte also in Ihrem Betrieb ein Arbeitnehmender in einer 5 Tageswoche total 55 Stunden arbeiten. Das sind die 42 vertraglich vereinbarten Stunden plus die 3 Stunden bis zur Grenze der Überzeit und dann noch jeden Tag maximal 5x2 Stunden, also 10 Stunden Überzeit. Natürlich würde das nur wenige Wochen im Jahr funktionieren, weil sonst die maximal zulässigen 170/140 Stunden pro Kalenderjahr schnell überschritten würden.
Damit Überzeit (Überschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit) gearbeitet werden darf, müssen bestimmte betriebliche Voraussetzungen erfüllt sein. Das Gesetz nennt in Artikel 12 Absatz 1 Arbeitsgesetz drei Gründe:
Diese drei Gründe sind vom Gesetzgeber absichtlich vage formuliert, so dass einiges an Spielraum für die Umsetzung besteht. In der Praxis werden sich die meisten betrieblichen Bedürfnisse einem der drei gesetzlichen Voraussetzungen zuordnen lassen.
Wichtig: Überzeitarbeit muss grundsätzlich nicht von einer Behörde bewilligt werden. Findet sie hingegen in der Nacht (Artikel 16 ArbG) oder an Sonntagen (Artikel 18 ArbG) statt, dann ist sie bewilligungspflichtig.
Unter diesen drei Voraussetzungen (Artikel 13 Arbeitsgesetz) darf Überzeit (Überschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit) durch Freizeit abgegolten werden:
Ist also z.B. der Arbeitnehmende mit einer Abgeltung durch Freizeit nicht einverstanden, so hat er Anspruch auf einen Lohnzuschlag von mindestens 25% auf seinen normalen Lohn. Oder die gearbeitete Überzeit lässt sich nicht im gleichen Jahr, sondern erst viel später einziehen, dann hat der Arbeitnehmende auch einen Anspruch auf den Lohnzuschlag von 25%.
Für Überzeit (Überschreitung der gesetzlich erlaubten Arbeitszeit) ist gemäss Artikel 13 Arbeitsgesetz ein Lohnzuschlag von mindestens 25% auf den normalen Lohn geschuldet.
Mit zwei Einschränkungen:
Als Zusammenfassung aus den obigen Ausführungen empfehlen wir folgende Regelungen in den Arbeitsverträgen in Ihrem Unternehmen.
Bei höheren leitenden Angestellten. Also beispielsweise bei einem angestellten Geschäftsführer:
Bei leitenden Angestellten (Ihrem Kader):
Bei allen anderen Angestellten: