Ratgeber Arbeitsrecht
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass nicht Überstunden, sondern Minusstunden (also zu wenig geleistete Arbeitszeit) entstehen.
Das geschieht in der Regel dann, wenn im Unternehmen zu wenig Arbeit vorhanden ist und der Chef seine Angestellten vorzeitig nach Hause schickt. Geschieht dies häufiger, dann entstehen Minusstunden. Diese sind aber nicht von den Arbeitnehmenden zu verantworten und berechtigen somit weder zu einer Lohnkürzung, noch zu einer Kompensation mit Ferien.
Solange der Arbeitnehmende zur Arbeitsleistung bereit ist, und dies auch ausdrücklich kommuniziert, darf ihn der Arbeitgeber zwar bei zu wenig Arbeit nach Hause schicken, muss ihm aber die volle Soll-Arbeitszeit anrechnen und auch den vollen Lohn bezahlen.
Minusstunden entstehen, wenn ein Arbeitnehmender weniger lang arbeitet, als dies in seinem Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Z.B. arbeitet er in einer Woche bloss 38 Stunden, statt der vereinbarten 42 Stunden. Damit entstehen 4 Minusstunden.
In diesem Sinne sind Minusstunden das Gegenteil von Überstunden bzw. Überzeit.
Wann entstehen Minusstunden?
Bezüglich der Nachleistung bei Minusstunden kommt es darauf an, durch wessen «Verschulden» die Minusstunden entstanden sind.
Artikel 324 Obligationenrecht sagt dazu: «Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.»
Artikel 324 OR spricht zwar primär von der Lohnzahlungspflicht, im letzten Nebensatz wird aber auch die Nachleistung des Arbeitnehmenden in die Regel eingebunden.
Somit gilt:
Ein gesetzlich geregeltes Verfalldatum für Minusstunden besteht nicht. Die Praxis hat aber folgende Regel herausgearbeitet.
Artikel 324 Obligationenrecht sagt dazu: «Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.»
Somit gilt:
Artikel 324 Obligationenrecht sagt dazu: «Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.»
Darauf folgt:
Zusammenfassend gilt also, dass bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Minusstunden nur dann vom Lohn abgezogen werden können, soweit die Firma klar aufzeigen kann, dass immer genügend Arbeit vorhanden war und dass gleichzeitig der Mitarbeiter aus eigenem Verschulden die Minusstunden verursacht hat.
In Zeiten von Fachkräftemangel – und ein solcher herrscht in einen grossen Teil der Dienstleistungsberufe in der Schweiz – fehlt es meist nicht an der Arbeit, sondern vielmehr an den Mitarbeitenden, die diese erledigen können.
Dennoch, die Corona-Pandemie hat auch in einigen Dienstleistungsbranchen zum gegenteiligen Effekt geführt. So etwa in der Gastronomie, im Tourismus und teilweise auch im Detailhandel. Dort hat es auf einmal zu wenig Arbeit, um die Belegschaft voll auszulasten.
Damit stellen sich rasch die beiden miteinander eng verwandten Fragen: Darf der von Corona-Einbrüchen betroffene Arbeitgeber seinen Mitarbeitenden Minusstunden «aufbrummen», d.h. weniger arbeiten lassen mit dem Ziel, die so aufgelaufenen Minusstunden später, wenn wieder mehr Arbeit da ist, in Anspruch zu nehmen? Oder sogar weniger Lohn für die nicht geleistete Arbeit bezahlen?
Das schweizerische Vertragsrecht kennt zwar für zweiseitige Verträge (und dazu gehört auch der Arbeitsvertrag) den Grundsatz, dass eine Vertragspartei (konkret der Arbeitgeber) nur dann zu ihrer Leistung (konkret der Lohnzahlung) verpflichtet ist, wenn die andere Vertragspartei (konkret der Arbeitnehmer) ihre Vertragsleistung auch wirklich erbringt (konkret die Arbeitsleistung).
Im Arbeitsrecht Artikel 324 Obligationenrecht findet sich dann aber eine auf den Arbeitsvertrag angepasste Präzisierung: «Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.»
Daraus leitet sich klar ab, dass Arbeitnehmende dann nicht zu Minusstunden gezwungen werden können, wenn die «Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet» werden kann.
Von Minusstunden sprechen wir, wenn ein Arbeitnehmender weniger als vereinbart arbeitet, z.B. nur 35 statt der vertraglich vereinbarten 42 Stunden pro Woche. Minusstunden sind damit das Gegenteil von Überstunden bzw. von Überzeit.
Das Gesetz spricht in Artikel 324 Obligationenrecht vom «Verschulden» des Arbeitgebers.
Natürlich ist der Arbeitgeber nicht schuld, wenn sein Geschäft infolge der behördlich angeordneten Corona-Massnahmen zusammenbricht und damit auch die Arbeit im Unternehmen drastisch zurückgeht oder sogar ganz ausgeht. Den Arbeitnehmenden hingegen trifft bei Arbeitsausfall infolge Corona logischerweise auch keine Schuld.
Jedoch gehört es zum Betriebsrisiko des Arbeitgebers und eines jeden Unternehmers, dass jederzeit genügend Arbeit für alle seine Angestellten vorhanden ist.
Und somit ist die fehlende Arbeit zwar nicht die Schuld des Arbeitgebers, er trägt aber dafür das Risiko und muss die damit verbundenen Konsequenzen tragen.
Ob nun ein Arbeitnehmender vom Chef zu Recht angewiesen wird, wegen Corona weniger zu arbeiten und diese Minusstunden später nachzuholen, hängt davon ab, welches Arbeitsmodell im Unternehmen gilt.
Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Arbeitnehmende in jedem Fall seine Arbeitsleistung ausdrücklich anbietet und damit signalisiert, dass er jederzeit arbeiten möchte. Anderenfalls könnte ihm zur Last gelegt werden, dass er gar nicht arbeiten wolle. In einem solchen Fall wäre der Arbeitgeber zu einem Lohnabzug berechtigt, bzw. hätte das Recht, die Arbeitszeit später nachholen zu lassen.
Sieht der Arbeitsvertrag eine fixe Stundenzahl pro Woche, z.B. 42 Stunden vor, so dürfen keine Minusstunden auf später verschoben werden. Ebenfalls ist es nicht legal, wenn der Arbeitgeber nur die z.B. tatsächlich geleisteten 35 Stunden entlohnen und damit die fehlenden 7 Stunden vom Lohn abziehen würde.
Arbeitet der Arbeitnehmende auf Stundenbasis, so gilt das oben gesagte analog, sofern ihm im Arbeitsvertrag ein Mindesteinsatz von Arbeitsstunden garantiert bzw. von ihm verlangt wird. Das wird auch regelmässig so der Fall sein.
Obwohl der Arbeitgeber das volle Corona-Risiko trägt, so ist er dagegen aber auch teilweise versichert. Er darf für den Arbeitsausfall die Kurzarbeitsentschädigung in Anspruch nehmen, welche 80% des Lohnes deckt.
Kurz und knapp: Sieht der Arbeitsvertrag vor, dass eine fixe Stundenzahl pro Woche (oder Monat) gearbeitet werden muss, so dürfen Mitarbeitende nicht zum Nachholen von Minusstunden verpflichtet werden.
Anders verhält es sich bei der Jahresarbeitszeit (JAZ), bzw. bei der Lebensarbeitszeit (LAZ), welche allerdings in der Praxis (noch) keine grosse Rolle spielt.
Mit dem JAZ-Modell soll einerseits Mehrarbeit (Überstunden und Überzeit) ausgeschlossen, andererseits soll aber auch sichergestellt werden, dass die Mitarbeitenden auch wirklich immer eine für das Unternehmen produktive Arbeit erledigen können. D.h. im JAZ-Modell kommt es durchaus vor – und ist auch so gewollt, dass es Zeiten gibt, in welchen weniger gearbeitet wird. So, dass dabei Minusstunden entstehen, welche auf das ganze Jahr gerechnet wieder ausgeglichen werden sollen.
Wie das JAZ-Modell genau funktioniert und wo dessen Vorteile, vor allem für Dienstleister liegen, haben wir in einem Blogbeitrag «Die Jahresarbeitszeit als optimales Modell für Dienstleistungsberufe?» bereits ausführlich beschrieben.
Kurz und knapp: Sieht der Arbeitsvertrag ein flexibles Arbeitsmodell mit Jahresarbeitszeit vor, so darf der Arbeitgeber vom Arbeitnehmenden verlangen, dass dieser auch mal während einer gewissen Zeit weniger arbeitet und die dabei entstehenden Minusstunden später im Jahr nachholt. Corona ist dafür ein gutes Beispiel.
Die in diesem Beitrag beschriebene Situation mit dem Corona-Einbruch in einigen Branchen beweist einmal mehr, dass das Arbeitsrecht mit seinem totalen Fokus auf die Arbeitszeit von den Unternehmen nur dann umgesetzt werden kann, wenn alle Arbeitszeiten auch zuverlässig protokolliert werden können.
Ob und in welchem Umfang Minusstunden entstanden sind, kann daher nur dann mit Sicherheit festgestellt und sowohl für Arbeitgeber wie für Arbeitnehmende fair abgehandelt werden, wenn alle Arbeitszeiten von allen Mitarbeitenden lückenlos erhoben werden.
Eine professionelle Zeiterfassung, wie beispielsweise proles bildet daher – einmal mehr – das Herzstück einer vertrauensvollen und effizienten Umsetzung der Arbeitsverträge im Unternehmen. Ein Herzstück, auf welches keinesfalls verzichtet werden sollte.