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Gleitzeit

Ratgeber Arbeitsrecht

Inhalt

Einführung

Flexible Arbeitszeitmodelle liegen seit Jahren im Trend und gewinnen stetig an Bedeutung. Dieser Beitrag erklärt praxisnah die sich stellenden Rechtsfragen bei der gleitenden Arbeitszeit, dem «Top-Seller» der flexiblen Arbeitszeitmodelle.

Gleitende Arbeitszeit gibt es schon seit längerer Zeit. Sie sieht vor, dass der Arbeitnehmende einen Teil seiner Arbeitszeit zeitlich so legen kann, wie er möchte. Meist gibt es eine Blockzeit, in welcher alle Mitarbeitenden am Arbeitsplatz sein müssen (z.B. von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr). Die Zeiten ausserhalb der Blockzeiten dürfen aber flexibel genutzt werden.

Die gleitende Arbeitszeit ist primär ein flexibles Instrument für Arbeitnehmende. Sie hat für den Arbeitnehmenden keinen Einfluss auf seinen Lohn.

Die gleitende Arbeitszeit darf zwingende Gesetzesvorschriften wie die gesetzliche Höchstarbeitszeit, die Ruhezeiten, das grundsätzliche Verbot von Nacht- und Sonntagsarbeit etc. aber nicht verletzen. Dadurch ist deren Flexibilität faktisch eingeschränkt. So darf beispielsweise ein Arbeitnehmender nicht einfach mit dem Hinweis auf gleitende Arbeitszeit von z.B. 20 Uhr bis 04 Uhr in der Früh arbeiten, da er damit das Nachtarbeitsverbot verletzen würde.

Wie bereits gesagt, gleitende Arbeitszeit ist ein äusserst beliebtes Arbeitszeitmodell. Für Unternehmen ist sichergestellt, dass die Belegschaft während den Kernarbeitszeiten anwesend ist, gleichzeitig dürfen die Arbeitnehmenden ihre Arbeitszeiten in einem gewissen Mass individuell gestalten, was ihrem Bedürfnis nach Flexibilität entgegenkommt.

Aus arbeitsrechtlicher Sicht müssen Unternehmen und Arbeitnehmende jedoch einiges beachten.

Gleitende Arbeitszeit gilt als flexibles Arbeitszeitmodell

In der Praxis sehen wir verschiedene flexible Arbeitszeitmodelle: Teilzeitarbeit, Jobsharing, Arbeit auf Abruf, Jahresarbeitszeit oder gleitende Arbeitszeit.

Von einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten erhoffen sich die Arbeitnehmenden einerseits, dass sie ihre familiären Bedürfnisse einfacher mit den Beruf vereinbaren können. Die Arbeitgeber andererseits begrüssen flexibilisierte Arbeitszeitmodelle, damit sie ihre Mitarbeitenden effizienter und zeitlich gezielter und flexibler einsetzen können. Die Arbeitskraft soll immer dann zum Einsatz kommen, wenn auch tatsächlich Arbeit zu erledigen ist.

Flexible Arbeitszeitmodelle beruhen immer auf einer vertraglichen Grundlage. Erstens schreibt das Arbeitsgesetz Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten vor (Artikel 9 ff. Arbeitsgesetz). Zweitens können Normal- oder Gesamtarbeitsverträge ebenfalls Vorschriften über Arbeitszeiten enthalten, die von den Vertragsparteien beachten werden müssen. Innerhalb dieser Schranken sind die Parteien aber frei, ein beliebiges Arbeitszeitmodell zu wählen und die Arbeitszeiten untereinander im individuellen Arbeitsvertrag festzulegen.

Besteht keine ausdrückliche Vertragsregelung, kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit aufgrund seines Weisungsrechts sogar einseitig bestimmen.

Arbeitsrechtliche Merkmale der Gleitzeit

Für ein Gleitzeitmodell ist typisch, dass die Arbeitszeit über mehrere Tage, Wochen oder Monate verteilt geleistet werden darf. Besteht daher gleitende Arbeitszeit, so ist der Arbeitnehmer nur verpflichtet, während bestimmten Stunden am Tag zwingend zu arbeiten (in den sogenannten Blockzeit). Die restliche Arbeitszeit kann der Arbeitnehmende grundsätzlich frei für sich einteilen. Im Unterschied zu regulären Arbeitsverhältnissen erstreckt sich die Blockzeit somit nicht auf den gesamten Arbeitstag.

Ausserhalb der Blockzeiten verfügt der Arbeitnehmende daher über Zeitsouveränität.

Er ist somit berechtigt, Arbeitszeit vor- oder nachzuholen. Mit anderen Worten kann der Arbeitnehmende die Lage seiner Arbeitszeiten, seiner Pausen und den Arbeitsschluss sowie die Arbeitsdauer über eine längere Zeitspanne gemäss seinen individuellen Bedürfnissen frei ansetzen. Die tägliche Arbeitszeit kann dabei «gleitend» über mehrere Tage, Wochen oder Monate hinweg geleistet werden.

Keine Überstunden bei Gleitzeitarbeit

Entsteht ein Überhang an Gleitzeit (bzw. an geleisteter Arbeitszeit), so liegen keine Überstunden im Sinne von Artikel 321c Obligationenrecht vor.

Bei Gleitzeitarbeit ist der Arbeitnehmende vertraglich verpflichtet, auf das Ende eines vorbestimmten Zeitabschnitts die Sollarbeitszeit zu erfüllen. Die festgelegte Arbeitszeit darf zum Beispiel auf das Ende jedes Monats oder auf das Jahresende hin nicht über ein bestimmtes Mass hinaus über- oder unterschritten werden. Leistet ein Arbeitnehmender an einem Arbeitstag lediglich die Blockzeit, arbeitet er dafür am nächsten Tag entsprechend länger, wurden keine Überstunden geleistet. Die Mehrarbeit an einem Arbeitstag in Form von Gleitzeitarbeit erfolgt insofern freiwillig, als sie Ausdruck der Zeitsouveränität des Arbeitnehmers ist.

In der Konsequenz: Der Arbeitnehmende hat Mehrstunden innerhalb der Gleitzeitspanne durch eine entsprechende Anzahl Minusstunden auszugleichen. Seine vertragliche Sollarbeitszeit wird somit innerhalb der vorbestimmten Gleitzeitspanne weder über- noch unterschritten, weshalb auch nicht von Überstunden im gesetzlichen Sinn gesprochen werden kann. Denn die vertraglich festgelegte Arbeitszeit wird in solchen Fällen gar nicht überschritten.

Pflicht des Arbeitnehmenden, seine Arbeitszeiten auszubalancieren

Aus der vertraglichen Pflicht, die Gleitzeit auf das Ende der vereinbarten Zeitspanne auszugleichen, ergeben sich somit verschiedene rechtliche Konsequenzen.

Besorgung persönlicher Angelegenheiten ausserhalb der Blockzeit

Die Erledigung privater Angelegenheiten, wie das Aufsuchen eines Arztes oder Zahnarztes, dürfen in der Regel nicht mit der Blockzeit kollidieren. Im Unterschied zu Arbeitsverhältnissen mit fixer Arbeitszeit, kann deshalb bei Gleitzeit nur selten Freizeit für unaufschiebbare, persönliche Angelegenheiten an Anspruch werden. Die gewährte Flexibilität innerhalb der Rahmenzeit hat der Arbeitnehmende im Interesse seines Arbeitgebers zu nutzen, indem er Arzttermine und dergleichen auf Randzeiten ausserhalb der Blockzeit legt. Die daraus entstehenden Minusstunden muss der Arbeitnehmende durch Mehrarbeit innerhalb der Gleitzeitspanne an einem anderen Tag kompensieren.

Verpflichtung zur Vermeidung übermässiger Überhänge von Gleitzeit

Arbeitsverhältnisse können unter Einhaltung der Kündigungsfrist grundsätzlich jederzeit gekündigt werden. Bei gleitender Arbeitszeit hat daher der Arbeitnehmende darauf zu achten, dass sein Gleitzeitsaldo innerhalb der Kündigungsfrist abgebaut werden kann.

Befindet sich der Arbeitnehmende noch in der Probezeit, hat er die verkürzte Kündigungsfrist zu beachten.

Häuft der Arbeitnehmende zu viele Stunden an und kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis, verfällt der Gleitzeitsaldo oftmals entschädigungslos mit Ablauf der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmende ist also verpflichtet, übermässige Gleitzeitüberhänge zu vermeiden. Bestimmungen in einem Reglement, wonach am Ende einer Abrechnungsperiode übermässige Gleitzeitguthaben bis zu einem gewissen Ausmass entschädigungslos verfallen und nicht auf die nächste Gleitzeitperiode übertragen werden, sind daher zulässig.

Eine Entschädigung für geleistete Mehrarbeit kann der Arbeitnehmende in einem Gleitzeitsystemen nur dann verlangen, wenn die während der Rahmenzeiten zur Verfügung stehende Gleitzeit aufgrund betrieblicher Bedürfnisse oder wegen Weisungen des Arbeitgebers gar nicht genutzt werden konnte, um die Mehrstunden unter Einhaltung der Blockzeiten durch eine entsprechende Anzahl von Minusstunden zu kompensieren. In solchen Fällen wandelt sich der positive Gleitzeitsaldo in Überstunden um, die nach den gesetzlichen bzw. vertraglichen Vorgaben vom Arbeitgeber zu entschädigen sind.

Minusstunden am Ende einer Gleitzeitperiode

Bestehen am Ende einer Gleitzeitspanne Fehlstunden, kann der Arbeitgeber grundsätzlich einen Lohnabzug vornehmen. Es gilt der Grundsatz «ohne Arbeit kein Lohn».

Einige Gerichte unterstellen jedoch allzu rasch, der Arbeitgeber habe seinen Anspruch zur Lohnkürzung verwirkt, wenn er den vollen Lohn ohne Vorbehalt auszahlt, obwohl die Sollarbeitszeit am Ende der Gleitzeitspanne erheblich unterschritten wurde. Der Arbeitgeber sollte daher jeweils die Arbeitszeiterfassung kontrollieren und entweder sofort einen Rückbehalt eines Teiles des Lohnes vornehmen oder zumindest einen entsprechenden Vorbehalt auf der Lohnabrechnung anbringen. Der Arbeitnehmende ist dann dazu angehalten, seine Minusstunden durch Mehrarbeit in der nächsten Abrechnungsperiode auszugleichen. Unverschuldet fehlende Arbeitszeit muss nicht ausgeglichen werden. Bei unverschuldeten Minusstunden ist der Arbeitgeber regelmässig nach Artikel 324a Obligationenrecht zur Lohnfortzahlung trotz fehlender Arbeitsleistung verpflichtet. Unverschuldet ausfallende Arbeitszeit ist daher auch bei Gleitzeitsystemen gutzuschreiben. Keine Rolle spielt in solchen Fällen, ob die Absenz in die Blockzeit oder in die normale Tagesarbeitszeit bzw. Rahmenzeit fällt. Für die Berechnung der Zeitgutschrift ist bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung jeweils auf die vereinbarte durchschnittliche Arbeitszeit abzustellen.