Ratgeber Arbeitsrecht
In sehr vielen Schweizer Unternehmungen ist die zentrale Ressource der Mensch. In der Schweiz beschäftigt der ganze Dienstleistungssektor mittlerweile über 75% aller Erwerbstätigen. Entsprechend gross ist daher die Bedeutung, die das Arbeitsrecht spielt (speziell in der Dienstleistungspraxis).
Aus unserer Softwarepraxis mit Ingenieuren, IT-Dienstleistern, Software-Entwicklern, Beratern, Anwälten, Treuhänder, Architekten, Immobiliendienstleistern, Agenturen, der öffentlichen Hand, Verbänden und Stiftungen und vielen anderen Dienstleistungsberufen mehr wissen wir, dass sich immer wieder Rechtsfragen stellen, die für juristische Laien mithin grosse Hürden sein können:
Interessanterweise betreffen viele dieser Fragen – und Antworten – nicht selten auch die im Einsatz befindliche Zeiterfassungs-Software. Werden doch dort alle Arbeitszeiten, Ferien und Absenzen erfasst. Diese Einträge dienen unter anderem als Grundlage für die Abrechnung zwischen dem Unternehmen als Arbeitgeber einerseits und dem Leistungserbringer als Arbeitnehmer andererseits.
Unsere Kunden stellen uns daher immer wieder ganz konkrete Fragen, die sich mit der Software alleine nicht klären lassen. Oftmals spielt das Schweizer Arbeitsrecht und seine Handhabung in der Praxis eine grosse Zusatzrolle, ohne deren Beachtung sich diese Fragen gar nicht endgültig beantworten lassen.
Wir haben darum unser Online-Angebot um oft gehörte, arbeitsrechtliche Fragestellungen aus der Praxis erweitert und Ihnen damit praxistaugliche, für das Dienstleistungsgeschäft passende Antworten und Lösungen bereitgestellt.
Damit Sie sich als juristischer Laie schneller und einfacher zurechtfinden, liefern wir Ihnen in dieser Übersicht einen systematischen Kurzüberblick über das Arbeitsrecht in der Schweiz und seine Anwendung.
Über die Navigation können Sie bei Bedarf gezielte Themen direkt anwählen. In der Navigation finden Sie auch den Link zu den FAQ sowie zum Download des Ratgebers.
Ein Arbeitsvertrag ist ein Vertrag zwischen zwei Privatsubjekten, welcher grundsätzlich formfrei und auch vom Inhalt her frei nach dem Willen der Parteien ausgestaltet werden darf. Der Arbeitgeber kann eine Privatperson oder – wie meistens – eine Firma (juristische Person) sein, die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer muss zwingend eine natürliche Person, also ein Mensch sein.
Formfrei bedeutet, dass ein Arbeitsvertrag auch mittels Handschlag oder sogar nur durch «Ausführung einer Tätigkeit, für welche üblicherweise Lohn geschuldet wird» abgeschlossen werden kann (Artikel 320 Obligationenrecht). Von der Formfreiheit gibt es allerdings einige Ausnahmen. So muss beispielsweise ein Lehrvertrag mit einem Lernenden schriftlich abgeschlossen werden, damit er rechtsgültig ist (Art. 344a Absatz 1 Obligationenrecht). Haben die Parteien keinen Vertrag auf Papier abgeschlossen, so gilt für ihre Vereinbarung 1:1 das umfangreiche Gesetzesrecht.
Inhaltlich frei nach dem Willen der Parteien: Auch dieser Grundsatz ist eingeschränkt, teilweise sogar sehr. So dürfen die Parteien in einem Arbeitsvertrag nichts vereinbaren, was gegen zwingendes Arbeitsrecht verstösst (davon gibt es einiges) und sie dürfen nichts vereinbaren, was sogenannt «sittenwidrig» ist. Halten sie sich aber an diesen Rahmen, so sind sie in der Ausgestaltung ihres Arbeitsvertrages frei. Praktisch relevant ist dieser Spielraum zum Beispiel bei der Kreation und Umsetzung komplexer Lohnsysteme und dergleichen.
Die wichtigste Rechtsquelle – auch in der Praxis – ist das Obligationenrecht (abgekürzt OR). Es regelt in den Artikeln 319 bis 342 den Einzelarbeitsvertrag, welcher der häufigste Fall ist. Ab dem Artikel 344 finden sich spezielle Arbeitsvertragstypen wie der Lehrvertrag, der Handelsreisendenvertrag und der Heimarbeitsvertrag. Die beiden Letzteren spielen heute nur noch eine kleine Rolle.
Hierarchisch über dem Obligationenrecht steht unsere Bundesverfassung. Auch sie enthält Bestimmungen, die mit «Arbeit» und «Arbeitsrecht» zu tun haben (z.B. Artikel 110 oder 114 Bundesverfassung). Diese Verfassungsartikel sind aber in der Praxis nicht direkt anwendbar, sondern dienen «bloss» als Grundlagen und Richtschnur für die Legislative, also das Parlament und das Volk bei der Entwicklung neuer Gesetze.
Neben dem Obligationenrecht Artikel 319 ff. spielt auf gleicher Ebene das ganze Arbeitsgesetz (abgekürzt ArbG) eine zentrale Rolle im schweizerischen Arbeitsrecht. Es stammt aus dem Jahr 1964, wurde schon oft revidiert und hat im Grundsatz den Gesundheitsschutz von Arbeitenden im Blickfeld. So sind dort unter anderem die Themen Arbeitszeit, Überstunden und Überzeit, Ruhezeit, Nacht- und Sonntagsarbeit und Entlöhnung dieser Sondereinsätze geregelt. Das Arbeitsgesetz ist damit die direkte Grundlage für Betriebsreglemente und entsprechenden Umsetzungen in der Zeiterfassungs-Software.
Achtung: Vom Arbeitsgesetz ausgenommen sind «Arbeitnehmer, die eine höhere leitende Tätigkeit oder eine wissenschaftliche oder selbständige künstlerische Tätigkeit ausüben» (Artikel 3 Absatz 1 lit.d ArbG). In KMU zählen zu den Arbeitnehmern mit «höherer leitender Tätigkeit» sicher alle Geschäftsführer. Es können aber auch andere Leute sein, die massgeblich auf die Leitung des Unternehmens einen Einfluss ausüben. Diese Einschränkung der Anwendbarkeit des Arbeitsgesetzes ist praktisch von grosser Bedeutung und sollte daher jedem Arbeitgeber bekannt sein.
Viele Regelungen im Arbeitsgesetz sind durch sogenannte Verordnungen detaillierter geregelt. So beschreibt beispielsweise Artikel 9 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz, was unter «höherer leitender Tätigkeit» zu verstehen ist. Verordnungen, welche detailliertere Vorschriften über Arbeit in Industrie, Gewerbe und Handel aufstellen, gibt es eine ganze Reihe. Oft behandeln sie auch nur Teilaspekte wie den Schutz von werdenden Müttern oder Jugendlicher am Arbeitsplatz.
Auch wenn – wie oben schon beschrieben – im schweizerischen Arbeitsrecht die Privatautonomie herrscht, d.h. die Parteien grundsätzlich in ihren Vereinbarungen frei sind, so gibt es doch eine ganze Reihe von zwingenden gesetzlichen Vorschriften, die vertraglich nicht geändert werden dürfen. Sie sind in der Praxis daher sehr wichtig.
Zweiseitig zwingende Vorschriften, OR 361: Dabei handelt es sich um einen Katalog von Bestimmungen im Einzelarbeitsvertrag, die weder zuungunsten des Arbeitgebers, noch zuungunsten des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. So wäre beispielsweise eine Regelung, wonach der Arbeitnehmer jederzeit, ungeachtet seiner bisherigen Arbeitsleitung einen Vorschuss verlangen könnte, und der Arbeitgeber diese dann auch bezahlen müsste, ungültig und würde automatisch durch die Regelung in Artikel 323 Absatz 4 OR ersetzt.
Einseitig zwingende Vorschriften, OR 362: Dabei handelt es sich um einen Katalog von Bestimmungen im Einzelarbeitsvertrag, die nicht zuungunsten des Arbeitnehmers geändert werden dürfen. So wäre beispielsweise eine Vertragsbestimmung, wonach der Arbeitnehmer auf seinen Schutz aus missbräuchlicher Kündigung durch den Arbeitgeber ausdrücklich verzichtet (Artikel 336 Absatz 2 OR) ungültig und würde automatisch durch die gesetzliche Regelung ersetzt.
Sieht man sich die Listen von Artikel 361 und 362 OR an, so stellt man fest, dass ein grosser Teil des Arbeitsvertragsrechts eben nicht mehr «freiwilliges», sondern zwingendes Recht ist. Die Privatautonomie im Arbeitsrecht wird damit – ganz bewusst natürlich – massiv eingeschränkt. So wird auch klar, dass das Arbeitsrecht primär ein «Arbeitnehmerschutzrecht» ist, auch wenn es in einigen Punkten – z.B. beim Kündigungsschutz – deutlich liberaler ist als in anderen europäischen Ländern.
Ebenfalls zum zwingenden Gesetzesrecht gehört auch das Arbeitsgesetz mit allen seinen Ausführungsverordnungen. Ein Arbeitsvertrag, der daher mit dem Einverständnis der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers die Nacht- und Sonntagsarbeit als zulässig erklären würde, wäre daher in diesen Punkten ungültig.
In aller Regel ist ein Arbeitsvertrag, welcher zwingendes Gesetzesrecht verletzt, nicht einfach komplett ungültig. Die ungültigen Bestimmungen werden einfach durch die Regelungen des Gesetzes ersetzt. Ein Arbeitsvertrag müsste schon sehr gravierend zwingendes Recht verletzten oder massiv sittenwidrig sein, damit er als Ganzes für ungültig erklärt würde. In der Praxis kommt dies bloss selten vor.
Arbeitsverträge, die zwar eine Arbeitsleistung zum Gegenstand haben, denen es aber an einer «Eingliederung des Arbeitenden in eine fremde Arbeitsorganisation fehlt», sind keine Arbeitsverträge im Sinne von Artikel 319 ff. OR. Unterhält also der Arbeitende eine eigene Arbeitsorganisation und trägt auch er das unternehmerische Risiko selbst, so ist er nicht Arbeitnehmer, sondern Selbständigerwerbender. Praktisch liegt dann meist ein einfacher Auftrag oder eventuell ein Werkvertrag vor.
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass die Parteien einen einfachen Auftrag oder einen Werkvertrag abschliessen, bloss um beispielsweise Sozialversicherungsabgaben zu sparen. Das Arbeitsverhältnis funktioniert aber sonst wie bei einem normalen Arbeitsvertrag. In solchen Fällen wird ein Richter von einer «Scheinselbständigkeit» ausgehen und auf die strittigen Punkte ganz normales Arbeitsrecht anwenden. Auch die AHV-Ausgleichskasse macht dies gelegentlich so.
Lassen Sie uns diese Einführung mit einigen grundsätzlichen Tipps zur Handhabung des Arbeitsrechts in Ihrem Unternehmen beenden: